Im Zwischenraum der Zeiten
Warum wir Klassik neu denken müssen!
I. Der lange Atem der Musik
Musik ist die einzige Kunst, die sich im Vollzug selbst erschöpft und doch überdauert.
Ein Klang ist verklungen, doch das Werk lebt fort.
Bachs Chaconne, Beethovens späte Quartette, Ravels fragile Klangfarben sie alle sind Dokumente einer vergangenen Welt. Und doch sprechen sie mit uns, heute. Sie fordern uns heraus, weil sie nicht veralten. Im Gegenteil: Je weiter wir uns zeitlich entfernen, desto mehr öffnen sich ihre Deutungsspielräume.
In dieser Offenheit liegt die eigentliche Modernität der Klassik: Ihre Werke sind nicht starr, sondern atmende Konstruktionen, die auf neue Kontexte reagieren.
II. Tradition als lebendiger Dialog
Der Begriff „Tradition“ ist vieldeutig. Er kann lähmen oder befreien.
Für uns ist Tradition kein musealer Zustand, sondern ein fortwährender Dialog. Bach selbst war ein großer Bearbeiter fremder Werke; Beethoven sprengte bewusst die Formen seiner Vorgänger; Ravel schöpfte aus Volksmusik ebenso wie aus Jazz. Strawinsky ließ sich von barocker Architektur inspirieren und übersetzte sie in eine neue, eigene Klangsprache.
Was alle eint: Sie standen stets auf den Schultern ihrer Vorgänger und blickten zugleich furchtlos nach vorn. Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich auch unsere Arbeit.
III. Rekomposition als künstlerische Haltung
Unsere Zeit verlangt nach anderen Antworten als die Jahrhunderte zuvor. Wir sind umgeben von einem permanenten Klangstrom: Playlists, Streaming-Dienste, algorithmisch generierte Empfehlungen. Musik ist allgegenwärtig aber oft konturlos.
Inmitten dieser akustischen Überfülle suchen wir nach Tiefe.
Rekomposition ist unsere künstlerische Haltung.
Wir nehmen bestehende Werke nicht als unantastbare Denkmäler, sondern als Ausgangspunkt einer neuerlichen Befragung. Wie einst Busoni in seinen Transkriptionen, wie Liszt in seinen Schubert-Bearbeitungen, wie Luciano Berio in seinen dialogischen Fortführungen der Vergangenheit.
Wir sezieren nicht. Wir überformen nicht.
Wir suchen das Wesentliche, die Essenz, und lassen daraus eine eigene musikalische Sprache entstehen im Bewusstsein, dass jede Gegenwart andere Antworten verlangt.
IV. Gegen die Beliebigkeit des Crossover
Die Versuchung des Zeitgeists liegt im vermeintlich Einfachen: Klassik trifft Pop, Barock trifft Elektro, Jazz trifft Oper. Solche Crossover-Projekte versprechen Reichweite aber selten Tiefe.
Wir verstehen Crossover nicht als ästhetische Fusion, sondern als präzisen künstlerischen Prozess. Vergleichbar mit Jacques Loussier, der Bach durch den Filter des Jazz atmen ließ, oder mit Max Richter, der Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ radikal neu kartografierte, ohne ihre Substanz aufzugeben.
Unser Ziel ist keine Effekthascherei, sondern eine ernste Auseinandersetzung mit Form, Klang und Zeit.
V. Ein Blick hinter die Kulissen
Diese Kolumne möchte mehr sein als ein Begleittext.
Wir öffnen hier einen Raum des Nachdenkens:
Wie entstehen Rekompositionen?
Wie verändert die Studioarbeit unsere Klangbilder?
Wie organisiert man ein Ensemble zwischen Kunst, Markt und Vision?
Und: Wie wird sich das Musikleben der Zukunft gestalten?
Wir laden Sie ein, uns auf diesem Weg zu begleiten.
Es ist ein Weg des Suchens, Fragens und Staunens.
Im Vertrauen darauf, dass auch im 21. Jahrhundert Musik mehr sein kann als bloßer Konsum: nämlich Begegnung mit dem Fremden, dem Vertrauten, dem Zeitlosen.